Ich fühle mich gelebt.
Und da reißt mich schon die nächste Windböe in die Luft, zieht mich mit sich in die Höhe und wirft mich bei dem nächsten Ort wieder ab.
Alles, was ich tue, was ich tun kann, ist zu versuchen, mich so gut es geht an ihr festzuhalten, um nicht herunterzufallen im Wirbel, im reißenden Strom.
In den Schlund des…
Und es reißt mich weiter; oh wie schön, die Sonne dort hinten — weg.
In den Schlund des…
Höher und weiter und jedes Mal reiße ich meine Augen SO WEIT es geht auf in der Hoffnung, alles mitzubekommen, zu erleben.
Denn, man soll ja bekanntlich im Hier und Jetzt leben, nicht wahr?
Im Hier und Jetzt, weil es das Einzige ist, was wirklich existiert.
Das Einzige, in dem ich tatsächlich existiere.
Aber woher weiß ich, dass ich es wirklich erlebe, wenn ich es nicht fassen, festhalten, wie eine Trophäe in die Höhe halten kann?
Woher weiß ich, dass ich wirklich lebe?
Ich sehe nur, wie ich vergebens versuche, den Sand in meiner Hand zu halten, ihn fest umschließe und er sich ja doch durch meine Finger windet, befreit und hinunterfällt in den Schlund des…
Und dann sammle ich Neuen, denn es regnet ja nur so, ich breite die Arme aus, umarme all das Leben — und wenn ich die Finger öffne — sind sie leer.
Ich versuche es. Ich versuche im infinitesimalen Stückchen des Jetzt zu leben.
Aber ich sehe mehr Vergangenheit als Jetzt. Und die Zukunft?
Zerrinnt im Jetzt, durch meine zitternden Finger hindurch hinter mich.
Und wenn ich ihr hinterherschaue, wie sie langsam verblasst, fasst mich die nächste Böe und mein Blick reißt ab.
In den Schlund des…
Aber dann nehme ich einen tiefen Atemzug, ein
—
und wieder aus
—
und als stoße mein Atem gegen den Strom, gegen den Zug, verliere ich etwas an Geschwindigkeit,
nein,
ich gewinne an Entschleunigung.
Und da merke ich, wie ich doch ein paar Möglichkeiten sehe, um mich zumindest für eine kurze Zeit festzuhalten.
Ich will immer alles, möglichst viel schaffen, möglichst schnell, alles lernen, wissen, können. Und das heißt eben, schnell fertigzuwerden, damit das Nächste beginnen kann.
Aber am Ende des Tages erinnere ich mich kaum noch an ihn, denn ich muss möglichst schnell schlafen, um wieder neu beginnen zu können — oh, schon wieder Freitag?
Was habe ich die Woche denn getan?
Festhalten…und das kleine Mädchen denkt, sie hätte das Leben unter Kontrolle.
Das hat sie wohl noch lange nicht, wird sie nie, wird keiner.
Aber sie hat es in ihrer Hand.
Geht mit ihm Hand in Hand.
Statt hinterhergerissen zu werden.
Sagt ihrem Begleiter kurz, dass er anhalten möge, um ein wenig in der Gegend umherzuschauen.
Obwohl sie einfach nur eine andere Brille aufgesetzt hat.
Damit sieht sie um Meilen weiter.
Und genauer.
Weniger verschwommen wie einst im Wirbel der Zeit.
Die Tage fließen nur so wie Sand durch meine Hände.
Aber anstatt sie zu verlieren, nie wieder zu sehen, sammeln sie sich.
Wie der Sand am Strand, angespült von den Wellen, abgetragen vom Wind, sammelt er sich zusammen in einem wunderschönen Strand voller glitzernder Einzelteile.
Sie verschwinden nicht im Schlund des Unerreichbaren.
Wenn ich sie einmal ERlebt statt gelebt habe.
Das Leben lebt mich.
Aber ich entscheide, auf gleicher Höhe mit ihm zu gehen.
Hand in Hand.
Zu erleben.
Zu leben.
Gelebt zu haben.
Und nun lies es gerne nochmal. Nimm dir Zeit.
Auch wenn du ihn immer wieder lesen, wiederholen kannst, nimm dir die Zeit.
Lies ihn nochmal und realisiere.
Lebe.